Polizei darf laut BGH auch unter Zwang Handys per Fingerabdruck entsperren

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt: Die Polizei darf einen Finger unter Zwang aufs Mobiltelefon legen, um Zugang auf dort gespeicherte Daten zu bekommen.

Die Polizei darf unter bestimmten Umständen ein Mobiltelefon entsperren, indem sie – auch unter Zwang – den Finger eines Verdächtigen auf den biometrischen Abdrucksensor legt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 13. März entschieden (Az.: 2 StR 232/24). Es müssen demnach aber Voraussetzungen erfüllt sein. Nötig ist ein richterlicher Beschluss, der die Durchsuchung und das Auffinden von Mobiltelefonen ausdrücklich erlaubt. Zudem sei die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Der Nutzen der Daten für die Ermittlungen muss also den tiefen Eingriff in die Grundrechte des Verdächtigen rechtfertigen.

In dem sich bereits länger hinziehenden Fall war der Angeklagte bis 2017 in Kindertagesstätten als Erzieher tätig. Nachdem er in diesem Rahmen detaillierte Nacktaufnahmen eines zweijährigen Mädchens gemacht hatte, fanden Ordnungshüter schon am 15. März 2017 bei ihm anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung über 2300 Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs auf mehreren Speichermedien. Das Landgericht München I verurteilte ihn daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat auf Bewährung. Zugleich sprach es gegen den Angeklagten ein lebenslanges Verbot aus, als Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Erzieher, Pfleger und Betreuer von Kindern und Jugendlichen tätig zu sein.

Während der Corona-Pandemie betätigte sich der Angeklagte trotz des Berufsverbots als privater Babysitter. Bei der Betreuung von Zwillingstöchtern einer Familie fertigte er dem Beschluss der Karlsruher Richter zufolge von beiden Kindern wieder Nacktaufnahmen an. Diese habe der Angeklagte teilweise auf seinem Smartphone LG G5 SE und auf seinem Google Pixel 4a gespeichert.

Bei der in Folge am 12. März 2021 erfolgten Durchsuchung fanden die Polizeibeamten die zwei Mobiltelefone. Da der Angeklagte laut dem BGH nicht bereit war, diese freiwillig zu entsperren, ordnete ein Ordnungshüter an, dass der rechte Zeigefinger des Angeklagten durch unmittelbaren Zwang auf den Fingerabdrucksensor der Mobiltelefone gelegt werden solle. Die Maßnahme sei entsprechend umgesetzt worden, heißt es im Juristendeutsch. Die entsperrten Handys habe der anwesende „Datensicherer“ erhalten.

Bei der nachfolgenden Auswertung habe sich „jenes kinderpornographische Material“ gefunden, das später zur zweiten Verurteilung durch das Landgericht Köln führte, erläutern die Karlsruher Richter. Am ersten Hauptverhandlungstag widersprach der Verteidiger des Angeklagten der Erhebung und Verwertung dieser Beweise und führte aus, dass für die Entschlüsselung der beiden Mobiltelefone durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen keine Rechtsgrundlage existiere und der Angeklagte dadurch in seiner Selbstbelastungsfreiheit sowie in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden sei.

Die Verfahrensrüge, mit der die Anwälte des erneut Verurteilten in der Revision ein Verwertungsverbot mit Blick auf die auf den Smartphones gespeicherten Bilder geltend machten, wies der 2. Strafsenat des Gerichtshofs zurück. „Die Beweismittelgewinnung war rechtmäßig“, betont er. Zwar falle der Versuch der Ermittler, Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten zu erlangen, in den Anwendungsbereich der EU-Datenschutzrichtlinie zur Strafverfolgung von 2016. Der einwilligungslose Zugriff stelle zudem einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung sowie in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens aus der EU-Grundrechtecharta dar.

Dies stehe „dem zwangsweisen Entsperren eines Mobiltelefons mittels Fingerabdruck“ aber nicht grundsätzlich entgegen, konstatiert der BGH. Das Vorgehen sei durch die Strafprozessordnung (StPO) zumindest gedeckt, wenn eine richterliche Durchsuchungsanordnung vorliege. Die Richtlinie stehe dem Prozedere ebenfalls nicht generell entgegen. Es handle sich um eine anerkannte, dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, was grundsätzlich auch der Europäische Gerichtshof schon so gesehen habe.

Dass der Körper des Beschuldigten als „Schlüssel“ zur Entsperrung genutzt und so zum Mittel der Überführung werden könne, verletzt – entgegen der Auffassung der Revision – dem Strafsenat zufolge auch nicht die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten. Diese schütze lediglich vor der aktiven Mitwirkung an der eigenen Überführung, nicht aber vor dem Dulden von Ermittlungsmaßnahmen. Der Zugriff erfolge auch als „offene Maßnahme“. Dies hätte es dem Beschuldigten ermöglicht, diesem entgegenzutreten und – etwa durch die Anrufung von Gerichten – zu überwachen.

Konkret verweist der BGH – wie zuvor etwa das Oberlandesgericht Bremen und das Landgericht Ravensburg – auf Paragraf 81b Absatz 1 StPO als Rechtsbasis. Diese schon etwas betagte Klausel ist ausgerichtet auf erkennungsdienstliche Maßnahmen. Als die Vorschrift in Kraft trat, stand der Abgleich von Fingerabdrücken mit Tatortspuren und Karteikarten oder die Identifizierung von Personen im Vordergrund. Smartphones und biometrische Erkennungssysteme gab es noch nicht.

Das Auflegen des Fingers eines Beschuldigten auf den Sensor des Mobiltelefons sei trotzdem vom Wortlaut des Paragrafen umfasst, konstatiert der BGH. Danach dürften Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die des Erkennungsdienstes notwendig sei. Die Entsperrung eines Mobiltelefons mit dem Finger sei schon nach dem äußeren Anschein nicht von der ausdrücklich gestatteten Aufnahme von Fingerabdrücken für daktyloskopische Vergleichsuntersuchungen zu unterscheiden.

Gemäß dem Beschluss entspricht es ferner gefestigter Rechtsprechung, dass die auf Mobiltelefonen gespeicherten Daten nach Paragraf 94 StPO beschlagnahmefähig sind. Das sei hier auch verhältnismäßig, da der Beschuldigte bewusst ein Mobiltelefon als Tatmittel verwendet habe. Stehe die zu ermittelnde Straftat in keinem Bezug zum Handy beziehungsweise darauf vermuteten Daten oder sei die zwangsweise Entsperrung aus anderen Gründen unter Berücksichtigung der Schwere der Straftat und der Erfordernisse der Untersuchung nicht gerechtfertigt, sei das Mittel nach der StPO unzulässig. Die Gewinnung überschießender und vertraulicher, für das Verfahren aber bedeutungsloser Informationen müsse ferner „im Rahmen des Vertretbaren vermieden werden“.

Mehrere der Urteilsgründe und die von den Kölner Richtern verhängte Gesamtstrafe hat der BGH aufgehoben. Zugleich hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen. Für eine potenzielle Verfassungsbeschwerde ist es damit noch zu früh.

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Überwachung unter Wasser: Die Militarisierung der Ostsee

Offshore-Anlagen und Seekabel sollen zur Überwachung umgerüstet werden

Die Bundeswehr hat die Befugnis erhalten, auf Energiegewinnungsanlagen in der Nord- und Ostsee feste Einrichtungen wie Sende- und Empfangsanlagen zu installieren und zu betreiben. So steht es im Flächenentwicklungsplan für das Jahr 2025, den das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erstellt hat und über den WDR und NDR berichten. Hintergrund ist laut den Sendern die Beobachtung russischer Schiffe, die mutmaßlich für Sabotageaktionen an Unterwasserinfrastruktur eingesetzt werden.

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Osnabrück bringt interaktiven Stadtplan zu NS-Geschichte heraus

Zum 80. Jahrestag des Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Stadt Osnabrück einen interaktiven Stadtplan herausgebracht, der auf Spuren aus der Zeit des Nationalsozialismus hinweist. Mit der Karte auf der städtischen Internetseite können Interessierte sich über verschiedene Orte informieren, die während der NS-Zeit von Bedeutung waren. Auf dem Plan lassen sich dazu kurze Texte abrufen. Zum Beispiel kann man erfahren, in welcher Dichte es in Osnabrück Lager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeitende gab. Momentan erfasst die Karte nach Angaben der Stadt 260 Orte. Sie könne aber laufend erweitert werden. Das Büro für Friedenskultur, der Fachdienst Geodaten und der Historiker Sebastian Weitkamp haben sie zusammen erarbeitet.

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Kommunikationsüberwachung

Bei der Telekommunikationsüberwachung, oder kurz TKÜ hören die Behörden Kommunikation direkt beim Dienstbetreiber ab. Das kann zum Beispiel euer Handyanbieter sein, euer Internet-Provider oder euer E-Mail Service. Bei Telefonaten kann bereits ab dem Zeitpunkt des Verbindungsaufbau mitgehört werden. Wenn du noch das piepen hörst, weil die angerufene Person das Gespräch bisher nicht angenommen hat und dich dabei mit jemanden neben dir unterhältst – wird das protokolliert, der Inhalt analysiert und auch mit den Geodaten abgeglichen, die den Schnüfflern bekannt sind. Es können viele Daten auch im Nachhinein angefordert werden, zum Beispiel die Websites die du aufgerufen hast, die Nummern die du angerufen hast, die E-Mails die du geschrieben hast und die Privatnachrichten die du auf Facebook verschickt hast. (Vorrausgesetzt der Anbieter hat diese Daten noch gespeichert.) Auch hier kannst du dich wieder durch verschiedene Verschlüsselungsverfahren schützen.

Um das Thema Vorratsdatenspeicherung wird aktuell noch gestritten. Momentan ist diese ausgesetzt, wie sich das in Zukunft entwickeln wird ist aber noch unklar. Halte dich am besten gelegentlich etwas auf dem Laufenden.

Neben solchen Anfragen bei Dritten gibt es auch noch den sogenannten “Großen Lauschangriff” also das direkte Abhören der Wohnung mit Mikrofonen. Dieser wird aber recht selten angewandt. Im Jahr 2019 wurden im repressiven Bereich 9 Maßnahmen angeordnet und 7 davon vollzogen. Beachte das eine Hausdurchsuchung für die Cops eine gute Gelegenheit ist Wanzen zu deponieren.

Wer ebenfalls gelegentlich mithört sind die Sprachassistenten von Google, Apple und Amazon. Diese Geräte nehmen kontinuierlich ihre Umgebung auf. (Sonst könnten sie ja auch gar nicht auf ein “Hey Google” reagieren.) Aufzeichnungen von Sprachbefehlen werden auf den Servern der Anbieter gespeichert und können theoretisch auch von den Behörden angefragt werden.

Mensch sollte es sich auf jeden Fall zweimal überlegen welche Gespräche in der Gegenwart von Alexa oder einem Handy mit aktivierter Google-Sprachsteuerung geführt werden sollten.

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Die Überwachungs-Maßnahme, die geheim bleiben soll

Internet-Zugangs-Anbieter überwachen, welche Kunden sich mit bestimmten IP-Adressen verbinden. Wir veröffentlichen Ermittlungs-Dokumente, die dieses „IP-Catching“ belegen. Juristen kritisieren, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt. Das Bundeskriminalamt will die Maßnahme verschweigen.

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