Original Artikel: https://perspektive-online.net/2025/10/anzeige-wegen-meme-es-zeigt-zu-welchen-mitteln-staat-und-bundeswehr-greifen/
Bentik, Du bist auf ein Gymnasium in Freiburg gegangen und wirst nun wegen eines Instagram-Beitrags angeklagt. Kannst du uns berichten, wie es überhaupt dazu kam?
Ja, Anfang Februar dieses Jahres hat meine Schule einen sogenannten Jugendoffizier der Bundeswehr zu einer Veranstaltung eingeladen, bei der unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ für die Bundeswehr geworben werden sollte. In einer Schüler:innenzeitung wurde daraufhin zum Protest gegen den Besuch der Bundeswehr an unserer Schule aufgerufen. Beim tatsächlichen Besuch des Jugendoffiziers ist dann zwar nichts passiert, doch im Nachgang wurde auf dem Instagram-Account dieser Schüler:innenzeitung ein Meme gepostet, das sich kritisch gegenüber Aufrüstung und dem Auftreten der Bundeswehr an Schulen äußerte.
Offenbar kam dieses Meme nicht gut bei der Bundeswehr an – jedenfalls lag ein paar Wochen später ein gelber Brief in meinem Briefkasten und ich wurde zur Polizei vorgeladen. Durch Akteneinsicht wissen wir inzwischen, dass versucht wurde, den Standort des Handys zu ermitteln, von dem aus das Meme gepostet wurde und sogar mein Vater zur Zeugenaussage eingeladen wurde.
Hat dich die Strafanzeige überrascht?
Ja, natürlich. Ich glaube, niemand hätte erwartet, dass die Bundeswehr wegen eines Memes tatsächlich Anzeige erstattet und das Verfahren sogar vor Gericht landet. Ein Meme fällt doch wohl in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.
Das Ganze ist aber nicht nur komplett absurd, es zeigt auch, zu welchen Mitteln Bundeswehr und Staat greifen, wenn jemand es wagt, den Kurs der Bundesregierung – also Aufrüstung und Militarisierung – öffentlich zu kritisieren.
Wie hat sich denn die Schulleitung bei dem Ganzen verhalten?
Die Schulleitung hat sich gegenüber der Bundeswehr sehr kooperativ gezeigt. Nachdem in der Schüler:innenzeitung zum Protest gegen den Besuch der Bundeswehr aufgerufen worden war, hat die Schulleitung diese Information direkt an die Bundeswehr weitergeleitet. Wie ich aus der Strafakte erfahren habe, hieß es sogar in einer E-Mail vom Jugendoffizier an einen Major der Bundeswehr: „Die mitdurchführende Lehrerin und Schulleitung stehen 100% hinter mir.“
Außerdem hat mich eine Lehrerin aus dem Unterricht geholt und mit Verweisen gedroht, um mich einzuschüchtern. Mein Schulleiter wird auch vor Gericht als Zeuge aussagen – glücklicherweise bin ich ja nicht mehr in der Schule, sonst wäre das schon sehr komisch.
Das heißt, die Bundeswehr wusste davon, dass zu Protest aufgerufen worden war. Gab es irgendwelche Reaktionen der Bundeswehr darauf, von denen du weißt?
Ja, tatsächlich hat sich die Bundeswehr auf den Besuch an meiner Schule deutlich intensiver vorbereitet, als ich es erwartet hätte. Wie aus den Akten hervorgeht, wurde die Angelegenheit als „mögliche Störaktion“ an die Abteilung „MilSich“ – was, so vermute ich, für militärische Sicherheit steht – weitergeleitet.
Außerdem wurden „Handlungsempfehlungen“ an den zuständigen Jugendoffizier gegeben, und es wurde sogar entschieden, dass das Dienstfahrzeug auf dem Schulgelände und nicht im öffentlichen Raum geparkt werden soll. Es scheint der Bundeswehr also wirklich wichtig zu sein, dass an Schulen keine Störaktionen stattfinden.
Auch an anderen Städten wird sich gegen die Bundeswehr an Schulen gewehrt. Hast du davon etwas mitbekommen?
Ja, in Leipzig gab es gerade einen prominenten Fall. Dort haben Schüler:innen an der Humboldt-Schule gegen einen Bundeswehr-Auftritt protestiert – mit Aktionen wie einem ‚Die-in‘ auf dem Schulhof und Flugblattaktionen. Ein 16-jähriger Schüler wurde daraufhin sogar mit einem Schulverweis bedroht. Die Solidarität unter den Mitschüler:innen war allerdings groß, viele unterstützen die Proteste. Dieser Fall – zumindest gehe ich davon aus, dass es darum ging – wurde tatsächlich auch von der Bundeswehr in einer Mail als Referenz genannt.
Demnächst fängt der Gerichtsprozess an. Wie fühlst du dich damit und wie geht es jetzt weiter?
Es steht zwar noch kein Termin für die Hauptverhandlung fest, aber lange wird es sicherlich nicht mehr dauern. Es fühlt sich sehr absurd an, wegen so etwas vor Gericht zu stehen, aber trotzdem lasse ich mich davon nicht einschüchtern und werde an meiner Haltung festhalten, dass die Bundeswehr an Schulen nichts zu suchen hat.
In den letzten Tagen, habe ich außerdem sehr viele Presseanfragen bekommen – das fühlt sich als Jugendlicher irgendwie auch sehr komisch an, aber ich freue mich natürlich, dass dieses Thema Aufmerksamkeit bekommt.
Kann man dich irgendwie unterstützen?
Ich freue mich natürlich über jede Person, die in Freiburg im Gerichtssaal sitzt oder den Prozess anders mitverfolgt. Außerdem sammele ich Spenden für die Anwaltskosten, die sich auf mindestens 1000 Euro belaufen. Die beste Unterstützung ist aber natürlich, selbst gegen Wehrpflicht und Aufrüstung an den Schulen aktiv zu werden.
Weitere Artikel zum Fall:
https://perspektive-online.net/2024/10/nach-protest-gegen-bundeswehr-leipziger-schueler-droht-suspendierung/